Wieder einmal hat uns ein Konflikt in unserer unmittelbaren Nachbarschaft an der Zuverlässigkeit Russlands als Energielieferanten zweifeln lassen. Durch die Pipeline mit dem bezeichnenden Namen Druschba (Freundschaft) fließt zwar wieder Öl, aber die Nachwirkungen des Streits zwischen den einst befreundeten Bruderstaaten Belarus und Russland dürften noch eine Weile anhalten.
Begonnen hatte alles mit der Forderung Gazproms an Belarus, mehr Geld für russisches Gas zu zahlen. Es entspricht der erklärten Strategie des russischen Energieriesens, Lieferungen an ehemalige Sowjet-Länder, die bisher in den Genuss erheblich vergünstigter Preise gekommen waren, bis 2011 auf Weltmarktniveau anzuheben. Das ist marktwirtschaftlich durchaus legitim. Allerdings wollte Gazprom gleich den vierfachen Preis, und hat sich erst auf nur eine Verdoppelung eingelassen, als es eine Beteiligung am belarussischen Pipeline-Netz erreichte. Und wie schon beim Gasstreit mit der Ukraine zeigen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels, dass Russland mithilfe von Rohstoffen seinen Einfluss als Energiegroßmacht zementieren will. Dabei sitzt es buchstäblich am längeren Hebel.
Der belarussische Präsident Lukaschenko, als letzter Diktator Europas von der EU isoliert, aber nach wie vor im Land populär, hatte offenbar darauf vertraut, dass Russland aus Rücksicht auf westeuropäische Abnehmer nicht so weit gehen würde, tatsächlich Lieferungen zu stoppen. Nur so erklärt sich, warum er nach der vermeintlichen Einigung über eine russische Beteiligung am Pipeline-Netz zum Gegenschlag ausholte.
Lukaschenko verlangte radikal höhere Transitgebühren für russisches Erdöl, $45 pro Tonne statt bisher $2,6, und leitete dann sogar rechtliche Schritte ein, als die staatliche russische Ölfirma Transneft der Forderung nicht nachkam. Zuvor hatte Russland allerdings auch noch Zölle auf Ölausfuhren nach Belarus eingeführt ein harter Brocken für das Regime Lukaschenko, dessen Wirtschaftskraft nicht zuletzt auf der Verarbeitung von billig eingekauften und teuer zu verkaufendem Öl ruht.
Transneft weigerte sich, die Transitgebühren zu zahlen und stellte kurzfristig alle Lieferungen nach Belarus ein, unter der Begründung, die Durchgangsleitungen würden von belarussischer Seite angezapft.
Als Russland vor einem Jahr mit ähnlichen Argumenten der Ukraine das Gas abdrehte, wurden Rufe nach einer stärkeren Diversifizierung der europäischen Energieimporte und Energieträger generell laut. Das ist keine neue Erkenntnis und muss mehr denn je die Maxime für die gemeinsame europäische Energiepolitik sein, die während der deutschen Ratspräsidentschaft entwickelt werden soll. Aber der aktuelle Konflikt wirft vor allem auch die Frage nach der Zukunft von Belarus auf, die inmitten unserer Sorge um Energieträger nicht untergehen darf.
Der Plan der russischen Führung, das Regime Lukaschenko mittels der Energiewaffe und massivem Druck einzuschüchtern, scheint zwar zunächst fehlgeschlagen zu sein. Gleichzeitig drohen Belarus jetzt ernsthafte wirtschaftliche Konsequenzen, da die Industrie stark von den günstigen russischen Energielieferungen abhängig war. Hinzu kommen neue Zollaufschläge für belarussische Waren, z. B. Zucker, die zu einem Einbruch des Exports nach Russland führen könnten.
In der drohenden Instabilität könnte eine Chance für die belarussische Opposition liegen. Die EU und allen voran Deutschland muss jetzt mehr denn je als prominenter Akteur in Belarus auftreten, um die Kräfte zu stärken, die sich für Demokratisierung einsetzen. Zugleich müssen wir unseren Einfluss auf Russland stärker nutzen.
Bei dem Konflikt zwischen Belarus und Russland schoben sich zwar beide Länder gegenseitig die Schuld zu. Klar ist jedoch, dass Russland nicht zum ersten Mal unter wirtschaftlichem Vorwand eine kompromisslose Machtpolitik betreibt.
Daher reicht es nicht, von Russland zu fordern, es solle seine Lieferverträge mit Westeuropa einhalten. Rohstoffe finden andere Transportwege, wenn Transitländer zu unbequem werden. Aber ein Russland, das sein Öl und Gas als Waffe gegenüber seinen Nachbarn einsetzt, kann kein zuverlässiger Energiepartner für die EU sein.