Bis zu den russischen Parlamentswahlen am 02. Dezember war Wladimir Ryschkow als einer der wenigen unabhängigen Abgeordneten in der Duma vertreten. Durch Abschaffung der Direktmandate und Auflösung seiner Partei konnte er bei den Parlamentswahlen nicht antreten. Nach anfänglichen Vorbereitungen für eine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen erklärt er heute, warum eine solche Kandidatur nicht möglich ist.
"Liebe Freunde und Mitstreiter!
Nach ernsthafter Überlegung habe ich den Entschluss gefasst, die Vorbereitungen für meine Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen einzustellen. Die Gründe sind folgende:
1) 2007 hat die russische Staatsmacht die Auflösung unserer Republikanischen Partei Russlands (RPR) erreicht. Mit dieser Frage sind wir vor den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gezogen. Im Ergebnis hat die RPR mit der Auflösung das Recht verloren, auf einem Parteitag einen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen.
2) Das neue Gesetz zur Wahl des russischen Präsidenten hat ihre Durchführung faktisch verboten. De facto wurde für Kandidaten eine zweifache Wahlbarriere eingeführt eine materielle und eine administrative. Mieten eines Versammlungssaals, eine Initiativgruppe mit mindestens 500 Mitgliedern, eine notariell beglaubigte Erklärung jedes einzelnen Initiators, 2 Millionen Unterschriften aus mindestens 50 Regionen des Landes, gesammelt innerhalb eines Monats, all das erfordert Ausgaben von mehreren Hundert Millionen Rubel (materielle Barriere). Doch selbst, wenn man diese Barriere erfolgreich überwunden hat, können die dazu bevollmächtigten Beamten die Registrierung der Kandidatur unter jedem beliebigen pseudogesetzlichen Vorwand verweigern (administrative Barriere). Das System ist so ausgerichtet, dass Kandidaten ausschließlich durch
- vom Kreml zugelassene Parteien
- die Präsidialadministration mit ihren enormen finanziellen Ressourcen
aufgestellt werden können.
3) Ich habe die praktische Erfahrung gemacht, dass ein oppositioneller Kandidat keinen Saal mieten kann, keinen Notar findet, keine Büroräume für die Sammlung von Unterschriften findet, solange es gegen ihn ein verdecktes Verbot von Seiten der Staatsmacht gibt. Mehr noch: Den Unterschriftensammlern wird mit polizeilicher Verfolgung und sogar physischer Gewalt gedroht.
Unter diesen Bedingungen ist die Durchführung von auch nur ansatzweise fairen Präsidentschaftswahlen unmöglich. Russische Staatsbürger haben, in direktem Widerspruch zur Verfassung, das Recht verloren, zu kandidieren wenn sie nicht Oligarchen oder Figuren des Kremls sind. Die Runde der künftigen Kandidaten wird in der Präsidialadministration aus dem von Putin ernannten Nachfolger, den Führern kontrollierter Parteien und anderen bequemen Sparringspartnern und Klonen zusammen gestellt.
Selbst wenn wir für einen Augenblick annehmen, dass Dmitrij Medwedjew nicht der schlechteste untern den sonst möglichen Nachfolgern ist, so bleibt diese Art der Machtübergabe in der Form wie im Inhalt verfassungswidrig.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Opposition wie der Gesellschaft insgesamt muss der Kampf für freie und faire Wahlen in Russland sein. Ich weiß, dass ich im Falle einer Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen mit der Unterstützung von Millionen russischer Bürger hätte rechnen können. Mir ist klar, dass meine Nichtteilnahme viele meiner Anhänger enttäuschen wird. Aber man muss der Wahrheit ins Auge sehen eine Teilnahme ist heute unmöglich!
Ich danke allen aufrichtig, die mich beim Versuch einer Kandidatur unterstützt haben, allen, die deshalb der Wahlkommission geschrieben haben, und auch allen Migliedern der RPR und ihren Anhängern für ihre Unterstützung und ihr Verständnis. Ich habe keinen Zweifel, dass die Verfassung, die Souveränität des Volkes, dass unsere Prinzipien letztendlich die Oberhand gewinnen werden."
Wladimir Ryschkow, 14. Dezember 2007, Moskau
Lesen Sie hier die Erklärung im russischen Original: