Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Nach Abzug der Bundeswehr: Verfassungsreform für Bosnien und Herzegowina

Zum morgigen Auslaufen des Bundeswehrmandats für Bosnien und Herzegowina erklärt Marieluise Beck, Sprecherin für Osteuropapolitik:

17 Jahre nach Kriegsende ist die Lage in Bosnien und Herzegowina weiterhin fragil. Seit den Wahlen 2010 herrscht politische Stagnation trotz schwerer Wirtschaftskrise. Die herrschenden Politiker instrumentalisieren die anhaltenden ethnischen Spannungen für ihre persönlichen Zwecke. Auch wenn die Sicherheitslage an der Oberfläche ruhig zu sein scheint, muss das UN-Mandat für die Schutztruppe und die Exekutivrechte (Bonn powers) des Hohen Repräsentanten als ultima ratio erhalten bleiben.

Wir begrüßen die Stärkung der EU-Präsenz samt Sonderbeauftragten vor Ort: Eigenverantwortlichkeit und Reformanreize durch die EU-Annäherung können die notwendigen Reformen befördern. Wer allerdings gleichzeitig einen Erweiterungsstopp für die Europäische Union und die Aussetzung der Visafreiheit fordert, entzieht den Reformbemühungen den Boden. Der Beitritt zur Europäischen Union bleibt die unverzichtbare Friedensperspektive für den von Kriegen und ethnischen Spannungen zerrütteten Westbalkan. Die Entgegensetzung von Eurokrise und Erweiterung ist kurzsichtig. Frieden in Europa ist ohne Stabilität auf dem Westbalkan nicht zu haben.

Die Instrumente der EU-Erweiterung sind zur Lösung der Blockaden in Bosnien und Herzegowina jedoch nicht ausreichend. Für den angestrebten Beitritt muss die Verfassung auf Grundlage des Dayton-Friedensvertrags mit ihrer Diskriminierung überwunden werden. Die ethnische Zuordnung der Bürgerrechte wurde zu Recht vom Menschenrechtsgerichtshof angeprangert. Europa trägt Mitverantwortung für die mangelhafte Nachkriegsordnung und damit für ihre Überwindung. Ein funktionierender Staatsaufbau kann ohne demokratische Verfassung nicht gelingen. Für eine Verfassungsreform braucht es allerdings wesentlich mehr Engagement Europas. Die Bundesregierung sollte hierfür endlich Verantwortung übernehmen.

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