Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Teilnehmer des Petersburger Dialogs fordern Aufklärung

Zum Jahrestag der Ermordung von Natalja Estemirowa erklärt Marieluise Beck, MdB, Mitglied des Lenkungsausschusses des Petersburger Dialogs:

Heute jährt sich zum ersten Mal der Mord an der russischen Menschenrechtlerin und Journalistin Natalja Estemirowa. Wie in diesem Fall werden nach wie vor kritische Journalisten und Menschenrechtler in Russland ermordet. Täter und Drahtzieher dieser Verbrechen bleiben zum Großteil unbekannt und straffrei. Kollegen und Verwandte der Ermordeten werden bedroht. 

Aus diesem Anlass bringt eine Gruppe deutscher und russischer Teilnehmer des Petersburger Dialogs in einer Erklärung ihre Empörung über die dramatische Lage von Menschenrechtlern und kritischen Journalisten zum Ausdruck. Der Aufruf fordert die Aufklärung des Mordes an Natalja Estemirowa. Von der russischen Führung erwarten die Unterzeichner, sich von den „unverantwortlichen und zynischen“ Aussagen des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow klar zu distanzieren. Kadyrow hatte Mitstreiter von Estemirowa aus der Organisation "Memorial" öffentlich verunglimpft und verklagt. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Medwedew werden gebeten, "ihren Einfluss zur Erfüllung dieser Forderungen einzusetzen". 

Zu den Erstunterzeichnern des Aufrufs gehören Politiker aus allen im Bundestag vertretenen Parteien sowie Angehörige der russischen und der deutschen Zivilgesellschaft.

Der Aufruf wird dem Plenum des Petersburger Dialogs vorgelegt, der parallel zu den deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Jekaterinburg tagt. Es bleibt zu  hoffen, dass das Forum, das sich als Diskussionsforum für gesellschaftliche Zeitfragen und Schlüsselthemen der deutsch-russischen Beziehungen versteht, die Initiative aufgreifen wird. 

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Der Text des Aufrufs lautet wie folgt: 

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Vor einem Jahr wurde Natalja Estemirowa ermordet – ihre Mörder sind immer noch frei und ihre Mitstreiter werden bedroht

Vor genau einem Jahr wurde die Menschenrechtlerin und Mitarbeiterin von Memorial Natalja Estemirowa in Tschetschenien verschleppt und ermordet. Natalja Estemirowa schwieg nicht, wo Angst die meisten stumm macht.

Der Mord vor einem Jahr geschah, als der 9. Petersburger Dialog in München tagte. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Dmitrij Medwedjew verurteilten den Mord auf dem Abschlussplenum des Petersburger Dialogs scharf und forderten seine Aufklärung, das Finden und Bestrafen der Schuldigen. Präsident Medwedjew versprach alles in seiner Macht stehende dafür zu tun.

Heute, auf den Tag genau ein Jahr später, beim 10. Petersburger Dialog in Jekaterinburg müssen wir mir großem Bedauern feststellen, dass die Ermittlungen offenbar nicht mit dem nötigen Nachdruck geführt werden. Der Mord ist nicht aufgeklärt. Die Täter und ihre möglichen Hintermänner sind unbekannt und auf freiem Fuß. Diese Erkenntnis ist ernüchternd und bitter.

Gleichzeitig nennt der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow Mitarbeiter von Memorial, die Mitstreiter von Natalja Estemirowa im tschetschenischen Fernsehen „Volksfeinde“, „Feinde des Rechts“ und „Staatsfeinde“. In Moskau soll Oleg Orlow, Vorsitzender des Menschenrechtszentrums Memorial, wegen Verleumdung vor Gericht gestellt werden, weil er direkt nach der Ermordung Natalja Estemirowas Kadyrow als für den Mord politisch „verantwortlich“ bezeichnet hat.

Es ist unerträglich, wenn die Morde an Natalja Estemirowa und anderen unaufgeklärt bleiben. Es ist empörend, wenn gleichzeitig ihren Kollegen gedroht wird oder sie für politische Aussagen mit Strafverfahren überzogen werden.

Wir, die unterzeichnenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 10. Petersburger Dialogs in Jekaterinburg, fordern die Verantwortlichen nachdrücklich auf, die Anstrengungen zu verstärken, die Morde an Natalja Estemirowa und allen anderen aufzuklären. Wir fordern die Einstellung des Verfahrens gegen Oleg Orlow. Wir erwarten von der russischen Staatsführung eine klare Distanzierung von den unverantwortlichen und zynischen Aussagen des tschetschenischen Präsidenten. Gerade angesichts der konstruktiven Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen, die sich im diesjährigen Petersburger Dialog widerspiegelt, bitten wir Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Medwedjew, ihren Einfluss zur Erfüllung dieser Forderungen einzusetzen. Rechtsstaatlichkeit muss ein tragender Pfeiler der russisch-deutschen Zusammenarbeit sein.

Marieluise Beck MdB, Bremen

Jelena Schemkowa, Moskau

Friedbert Pflüger, Berlin

Harald Leibrecht MdB, Berlin

Alexander Kalich, Perm

Ralf Fücks, Berlin

André Brie, Berlin

Franz Thönnes MdB, Ammersbek

Anatolij Arsenichin, Togliatti

Hans-Henning Schröder, Bremen/Berlin

Peter Franck, Berlin

Stefan Melle, Berlin

Ute Weinmann, Moskau

Jens Siegert, Moskau  

Doris Barnett MdB, Ludwigshafen

Gemma Pörzgen, Berlin

Jelisaweta Dschirikowa, Moskau

Angelika Krüger-Leißner MdB, Berlin

Ralf Possekel , Berlin

Ottilie Bälz, Stuttgart

Wolf Iro, Moskau

Sabine Adler, Berlin

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