Zum Verbotsantrag des russischen Justizministeriums gegen die Russische Gesellschaft für historische Aufklärung, soziale Fürsorge und Menschenrechte "Memorial" erklären Marieluise Beck, Sprecherin für Osteuropapolitik, und Omid Nouripour, Sprecher für Außenpolitik:
Die Politik der systematischen Repression durch den Kreml geht ungebrochen weiter. Nachdem der letzte unabhängige überregionale Fernsehsender „Doschd“ aus den Kabelnetzen zurückgedrängt worden ist und viele Bürgerrechtsinitiativen unter das Label des "ausländischen Agententums" gepresst wurden, hat der vom Kreml gelenkte Justizapparat nun die Institute der namhaften und weltweit respektierten Bürgerrechtsgruppe "Memorial" im Visier. Seit Jahren schon ist Putin die kritische Aufarbeitung des russischen Totalitarismus unter Stalin ein Dorn im Auge. In der Schulbuchdebatte ließ er seine Historiker vorgeben, dass die russische Jugend nicht mit einem kritischen Stalinbild konfrontiert werden dürfe.
Putin will ganz bewusst Menschenrechtsorganisationen einschüchtern und schwächen. Das darf die Bundesregierung nicht hinnehmen. Sie ist gefordert, ihren Einfluss geltend zu machen.
Der Petersburger Dialog, den Putin Ende Oktober in Sotschi abhalten lässt, trägt ironischerweise den Titel: „Die Zivilgesellschaft – eine Brücke für gegenseitiges Verständnis und Vertrauen“. Das Verfahren gegen Memorial belegt einmal mehr, dass der Kreml zu einem angeblichen zivilgesellschaftlichen Dialog einlädt, der nur noch einer Simulation eines Dialoges gleichkommt. Ein freier Dialog ist so nicht möglich. Zu Recht haben Vertreter mehrerer deutscher Nichtregierungsorganisationen ihre Teilnahme abgesagt.
Die Bundesregierung ist aufgefordert, dafür zu sorgen, dass der Petersburger Dialog zu einem Format wird, in dem das freie Wort und die Kontroverse Raum haben. Wir brauchen einen Dialog und keine Farce, bei dem die Vertreter der deutschen Seite die Kulisse abgeben.