Am 10. Mai 2012 debattierte der Bundestag über den von Marieluise Beck initiierten rot-grünen Antrag gegen die Austragung der Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 in Belarus. Der Antrag war zunächst auch den Koalitionsfraktionen angeboten worden.
Die Koalitionsfraktionen lehnten den Antrag ab, obwohl die Austragung der Weltmeisterschaft in Belarus fraktionsübergreifend einmütig abgelehnt wird. Entsprechend fand sich auch in der Abstimmung im Bundestag keine Mehrheit für den Antrag. Die FAZ berichtete mit einem Hintergrund über die Dikussionen zu dem Antrag. Die Debatte wurde zu später Stunde am 10. Mai 2012 angesetzt und daher von den Rednern nur in Textform zu Protkoll gegeben.
Lesen Sie hier den Redetext von Marieluise Beck: Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Haus hat erst vor wenigen Wochen die Menschenrechtslage in Belarus diskutiert. Anlass für die Debatte war die gnadenlose Hinrichtung zweier junger Männer, denen ein brutaler Anschlag auf die Minsker Metro zur Last gelegt worden war. Wir haben bereits auf die schweren Mängel des Prozesses und der Beweisführung hingewiesen. Nach rechtsstaatlichen Kriterien ist die Schuld von Wladislaw Kowaljow und Dmitrij Konowalow nie nachgewiesen worden und damit haben sie als unschuldig zu gelten. Auch in der Sache gibt es an der Schuld der beiden große Zweifel. Inzwischen ist durchgesickert, dass selbst die Begnadigungskommission des Präsidenten dem belarussischen Machthaber empfahl, die Todesurteile nicht zu vollstrecken. Das heißt, Diktator Lukaschenko trägt die persönliche Verantwortung für die Hinrichtung von Wladislaw Kowaljow und Dmitrij Konowalow. Er hat ihre Begnadigung gegen allen Rat und trotzt internationaler Proteste abgelehnt. Damit liegt die Verantwortung für die Hinrichtung allein bei ihm. Die Herausgabe der Leichname von Wladislaw Kowaljow und Dmitrij Konowalow wird den Angehörigen verwehrt. Es soll keinen Ort zum Trauern geben. Damit werden Angehörige zu Quasi Mitschuldigen gemacht. Damit bedient sich der Diktator Lukaschenko eines bekannten Musters aus der Zeit Stalins. Seit der brutalen Niederschlagung der Proteste gegen Wahlfälschung im Dezember 2010 wird jegliche Opposition in Belarus mit aller Härte verfolgt. Nahezu die gesamte Opposition wurde verhaftet. Im Gefängnis arbeitet das Regime an ihrer körperlichen und seelischen Zerstörung. Unter Folter und Misshandlungen werden den Oppositionellen Schuldeingeständnisse abgepresst und damit ihre Selbstachtung zerstört. Die Begnadigten werden öffentlich als Kriminelle denunziert. Für politisches Engagement wird ihnen unumwunden erneute Inhaftierung angedroht. Die Opponenten des Diktators sollen systematisch als politische Gegner ausgeschaltet werden. Die belarussische Opposition und Menschenrechtler aus ganz Europa fordern deshalb, die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 nicht in Belarus austragen zu lassen. Sport ist in Belarus Chefsache. Der Diktator persönlich sitzt dem Nationalen Olympischen Komitee vor. Der Biathlon-Verband wird vom KGB-Chef General Saizev geleitet. Lukaschenko nutzt die Popularität des Eishockey-Sports gekonnt für sich und spielt gelegentlich selbst im eigens für ihn gegründeten Präsidenten-Team. Das Regime Lukaschenko ist kein würdiger Gastgeber für ein die Eishockey-Weltmeisterschaft. Die Vorstellung von Lukaschenko als Sonnenkönig einer Weltmeisterschafts-Austragung, während das Land zu politischer Totenstille verdammt ist, ist unerträglich.
Welcher Sportler, der sich seiner gesellschaftlichen Bedeutung bewusst ist, möchte neben diesem gnadenlosen Herrscher auf dem Treppchen stehen?
Sport und Politik lassen sich nicht trennen, so oft dieser Grundsatz auch beschworen wird. Sportliche Großereignisse, ob die Sportler es wollen oder nicht, werden immer auch von den politischen Machthabern genutzt, um sich in Szene zu setzen. Nun ist die Frage gerechtfertigt, wo denn dann die Grenze gezogen werden solle. Nach aufrechten menschenrechtlichen und demokratischen Kriterien dürften dann nur noch etwa 65 Länder Austragungsort für große internationale Spiele sein.
Wir sprechen derzeit viel über die Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine. Dort gibt es politische Unterdrückung und politischen Missbrauch der Justiz. Aber es gibt noch eine Opposition. Und die bittet, das Sportereignis stattfinden zu lassen. Sie bittet außerdem, es für den politischen Protest zu nutzen.
In Belarus gibt es nicht nur politische Justiz, in Belarus wird gegen ein Prinzip verstoßen, dass Europa sich ansonsten überall zu eigen gemacht hat: Keine Hinrichtungen mehr! Und es gibt keine politische Opposition, die sich im Lande artikulieren könnte. Diese Opposition bittet uns, dem Diktator nicht die Bühne für ein Schauspiel zu geben, in dem er sich als Vater der Nation aufspielt. Und wir sollten dieser Bitte folgen.
Wir haben deshalb den Bundestagsfraktionen einen interfraktionellen Antrag gegen die Austragung der Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 in Belarus vorgeschlagen. Denn wir brauchen ein starkes Signal des Bundestags, dass wir die Weltmeisterschaft in Belarus ablehnen. Wir freuen uns, dass wir mit unserem Antrag bei der sozialdemokratischen Fraktion Unterstützung gefunden haben, ja, dass die SPD sich den Antrag quasi zu eigen gemacht hat. Die Koalition konnte sich nicht dazu durchringen, unseren Antrag mitzutragen. Dies ist umso unverständlicher, da Abgeordnete der Koalition in der Presse ausführlich über ihren Brief an den Eishockeyverband berichteten, in dem sie die Verlegung der Weltmeisterschaft in ein anderes Land fordern. Eine Einlassung des Parlaments hierzu halten sie aber offensichtlich für unnötig. Es ist ein merkwürdiges Selbstverständnis von Abgeordneten, wenn sie das Parlament nicht mehr als geeigneter Ort ihrer Arbeit ansehen, dafür aber die Zeitungen.
Ich hoffe, dass die Internationale Eishockey Föderation die internationalen Proteste gegen die Austragung der Weltmeisterschaft in Belarus ernstnimmt und auf ihrer kommenden Tagung eine Verlegung des Turniers in ein anderes Land beschließt.
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Hinweise von Marieluise Beck: Hier können Sie sich an der online-Kampagne www.minsk2014.no gegen die Austragung der Eishockey-WM in Belarus beteiligen.