Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Plenarrede zur Verlängerung des KFOR-Einsatzes

Mit breiter Mehrheit hat der Bundestag am Donnerstag, 10. Juni 2010, in namentlicher Abstimmung einer zwölfmonatigen Verlängerung des KFOR-Einsatzes von Bundeswehrsoldaten im Kosovo zugestimmt.

Lesen Sie hier den Redetext von Marieluise Beck zur Verlängerung des KFOR-Einsatzes:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau Kollegin Dağdelen, es wäre schon sehr wünschenswert, dass Ihre Kollegen einmal im Europarat auftauchen.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie sind ständig da, Frau Beck!)

Wenn sie dort gewesen wären, wüssten Sie vielleicht – aber Sie könnten es auch nachlesen, wenn Sie wollten –,

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie sind da! Es ist unwahr, was Sie hier behaupten!)

dass bei der Plenardebatte über den Bericht des Kollegen Dick Marty, der übrigens meiner Fraktion angehört und der den Fragen der organisierten Kriminalität im Kosovo nachgegangen ist, ich diejenige gewesen bin, die für eine lückenlose und dringliche Aufklärung dieser Vorwürfe plädiert hat, und dass ich sogar so weit gegangen bin, vorzuschlagen, dass Ministerpräsident Thaci sich selber anzeigen möge;

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das sind ja ganz neue Töne! – Gegenruf der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hören Sie doch mal zu, Mann!)

denn mit dem Leumund, dass man an einer organisierten Kriminalität, die sogar mit Organen gehandelt hat, beteiligt gewesen sei, kann man eigentlich nicht Ministerpräsident sein. Das alles können Sie nachlesen, und dann wäre es vielleicht an der Zeit, hier einiges von den unglaublichen Dingen, die Sie mir vorgehalten haben, zurückzunehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Brand [CDU/ CSU]: Dann hat sie ja die Unwahrheit gesagt! – Florian Hahn [CDU/CSU], an die Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE] gewandt: Sie sollten sich entschuldigen!)

KFOR ist – das wissen alle, die bei Gewalt nicht wegsehen und zwischen Tätern und Opfern wirklich unterscheiden wollen – nicht denkbar ohne Srebrenica. Ich möchte das hier noch einmal sagen, weil wir durch die Festnahme von General Mladic noch einmal die Bilder von Srebrenica vor Augen geführt bekommen haben. Am 11. Juli werden sich die Geschehnisse zum 16. Mal jähren, und wir werden an die Bilder der verzweifelten Frauen und Mütter denken, die ihre Söhne und Männer aus den Händen geben mussten, welche unter den Augen der UN in die Wälder abgeführt und dort umgebracht wurden. Die Entscheidung für KFOR ist nur vor diesem Hintergrund zu sehen.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Wenn es nach Ihnen geht, Frau Beck, ist die Bundeswehr auf
ewig auf dem Balkan präsent! Gut, dass Sie nichts zu sagen haben!)

Sie hat mit Sicherheit allein durch ihre Anwesenheit vielen Menschen das Leben gerettet. Es ist gut, dass diese Mission immer stärker ihren militärischen Charakter verlieren und den polizeilichen Charakter verstärken kann. Der Aufbau dieses kleinen Staates ist sehr schwierig,
viel mühseliger, als wir uns das vorgestellt haben. Es gibt viele Schwierigkeiten in diesem Staat. Es gibt organisierte Kriminalität, bei der auch die zivile europäische Mission sich schwertut, sie so deutlich und durchschlagend zu bekämpfen, wie wir es uns wünschen würden.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Schlagen ist immer gut!)

Zudem gibt es viele Schwierigkeiten, mit denen dieses kleine Land konfrontiert ist, weil die Statusfrage zumindest aus serbischer Sicht noch ungeklärt ist.

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Auch aus Sicht der UNO, Frau Beck!)

Es macht mich sehr unruhig, dass bei der Stadt Mitrovica, die bis heute geteilt ist, immer noch nicht ganz klar ist, dass diese Teilung keinen Bestand haben kann. Dieses kleine Kosovo wird nicht durch Gebietsaustausch Ruhe finden, sondern nur, wenn dieser Staat von der serbischen
Bevölkerung, von Roma, von Ashkali, von Ägyptern und von Kosovo-Albanern als gemeinsamer, multiethischer Staat gesehen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Fantasien in Bezug auf einen Gebietsaustausch können nur von denen in die Welt gesetzt werden, die nicht wissen, dass die größten serbischen Enklaven im Südendes Landes liegen und insofern ein Gebietsaustausch in Mitrovica der serbischen Bevölkerung im Land nicht helfen würde. Der Weg wird nach wie vor schwierig sein. Es ist gut, dass sich Serbien bewegt.

Wir müssen Herrn Tadic allen Respekt aussprechen und hoffen, dass dieser Weg der Aussöhnung weitergegangen wird, damit sowohl Serbien als auch das Kosovo die echte Perspektive haben, zu uns in der Europäischen Union dazuzugehören. Das wünschen sich vor allem die jungen Menschen in beiden Ländern, auch die, die wir im Augenblick als Stipendiaten bei uns im Deutschen Bundestag haben. Ich habe gestern Abend mit 13 jungen Menschen aus allen Westbalkanländern zusammengesessen. Sie wollen sich aus dem Würgegriff der Nationalisten befreien, weil sie nach Europa wollen und weil sie eine Zukunft haben wollen.

Diese Zukunft sollten wir ihnen wirklich geben und ihnen die Türen aufmachen.
Schönen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP –
Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie erpressen die doch nur!)

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