Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Kommentar zu dem Aufruf: "Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!"

Beunruhigend ist es, wenn nicht nur Putin zu den außenpolitischen Grundsätzen des 19. Jahrhunderts zurückkehrt, sondern diese auch in Deutschland formuliert werden. Die Unterzeichner des Aufrufs sind von einer erschreckenden Geschichtsvergessenheit, wenn sie die deutsch-russische Achse beschwören und dabei über die Interessen und das Schicksal der Länder zwischen Berlin und Moskau hinweggehen. Die Verbrechen der deutschen Wehrmacht fanden vor allem auf polnischen, baltischen, belarussischen und ukrainischem Boden statt . So fielen dem dt. Faschismus etwa 27 Millionen Sowjetbürger, darunter weit mehr als die Hälfte davon Ukrainer, zum Opfer. 

Nicht umsonst sind nicht nur die polnischen Teilungen, die Deutschland (im 18. Jahrhundert Preußen) und Russland im Einvernehmen vorgenommen haben, sondern auch der Molotow-Ribbentrop-Pakt noch in der historischen DNA der Zwischenländer. Wer diesen dunklen Teil der deutschen Geschichte ausblendet, und sich nicht an die Seite der Ukrainer stellt, die jetzt Opfer einer imperialen Aggression aus dem Kreml werden, pflegt eine prekäre Geschichtsvergessenheit. Dieser Aufruf zeigt, dass die scheinbare Bewältigung der deutschen Geschichte noch nicht abgeschlossen ist, sondern dass es in der historischen Erinnerung viele weiße Flecken gibt.

 

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