Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

M. Beck zu Ihrem Belarus-Antrag am 29.06.2006 im Bundestag

Anfang März, als die Präsidentschaftswahlen in Belarus bevorstanden, haben wir hier gemeinsam eine Aufforderung an den Minsker Diktator zur Gewährleistung freier und fairer Wahlen beschlossen.

Schon damals wussten wir, dass die mit vielfachen staatlichen Behinderungen und Repressionen einhergehende Art der Wahlvorbereitung diese Forderung bereits unerfüllbar gemacht hatte. Aber wir wollten zeigen, dass wir von hier aus nach Belarus sehen. Wir wollten zeigen, dass dem Land und seinen Menschen unsere Aufmerksamkeit gilt.

Ende März, als die Wahlfarce vorbei, die demokratische Opposition chancenlos geblieben war und der Diktator trotzdem seinen Sieg noch zusätzlich in einen Triumph umgefälscht hatte, gingen Tausende in Minsk auf die Straße. Einige von uns waren dabei, um ihre und unser aller Solidarität mit den Demonstrierenden zu zeigen. Es folgten Verhaftungen, Verurteilungen und Verfolgungen. Damals beschlossen wir hier gemeinsam einen weiteren Antrag, in dem wir den mutigen Menschen in Belarus unseren Respekt erwiesen, die Freilassung der Verhafteten forderten und Sanktionen gegen die ihre Macht missbrauchenden Funktionäre in Belarus verlangten. Wir wollten zeigen, dass wir uns für die Demokratisierung des Landes einsetzen, für seine Zugehörigkeit zur europäischen Wertegemeinschaft.

Damals waren wir uns auch einig, dass Belarus ein langer Weg bevorsteht. Wir stimmten überein, dass wir uns auf eine langfristige Unterstützung einstellen müssen und auch einstellen wollen.

Inzwischen ist, wie so oft in solchen Fällen, die Entwicklung in Belarus nahezu völlig aus der medialen Berichterstattung und damit aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Belarus ist aber nicht verschwunden. Die Situation dort hat sich nicht verbessert, eher im Gegenteil. Nach wie vor sitzen zum Beispiel eine Reihe prominenter und vermutlich viele weniger prominente Oppositionelle in Haft. In einer Woche soll der Prozess gegen einen der bekanntesten von ihnen, Alexander Kosulin, beginnen. Ein rechtsstaatliches Verfahren nach unseren Maßstäben hat er wohl kaum zu erwarten.

Unsere Aufgabe bleibt dieselbe, auch wenn es über das Thema keine Schlagzeilen mehr gibt. Einiges ist schon geschehen: Die EU hat ihre Sanktionen gegen Funktionsträger des Regimes erweitert und verschärft. Ähnliches wurde gerade in den USA beschlossen. Polen und andere Länder, darunter Deutschland, haben Stipendien für in Belarus wegen ihres demokratischen Engagements relegierte Studierende bereitgestellt. Das sind erste gute Anfänge, vieles aber bleibt zu tun.

Wichtiger noch als Sanktionen ist die Unterstützung der demokratischen Opposition und der bedrängten Zivilgesellschaft in Belarus. Unsere, des Deutschen Bundestages Aufgabe muss es sein, Vorschläge dafür aufzunehmen oder selbst in die Debatte zu bringen, vor allem aber, die politische Entscheidung zur Ermöglichung ihrer Umsetzung herbeizuführen. Das ist das Ziel unseres Antrags, dem – das kann jetzt schon gesagt werden – weitere werden folgen müssen.

Denn nicht nur die Repressionen in Belarus gehen weiter, auch die Diskussion in Europa über den Umgang mit dem Regime entwickelt sich. Sogar Russland verändert seine Haltung gegenüber Lukaschenkos Politik – sicher weniger zur Unterstützung der Demokratisierung als zur Steigerung seines ökonomischen Einflusses. Aber die Ankündigung drastischer Energiepreiserhöhungen in den nächsten drei Jahren ist dennoch ein schwerer Schlag für Lukaschenko.

Über einige weitere Forderungen und Vorhaben muss wohl nicht diskutiert werden. Natürlich müssen wir die Forderung nach Freilassung der gewaltlosen politischen Gefangenen aufrechterhalten. Ebenso müssen wir die Einstellung von Ermittlungen des belarussischen Generalstaatsanwalts wegen Terrorakten im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen fordern – es genügt wenig Phantasie, sowohl die Abwegigkeit dieses Vorwurfs wie seine Bedrohlichkeit für die Betroffenen festzustellen.

Es gibt weitere Vorschläge, über die zu reden wäre. Ich nenne stichwortartig nur einige Beispiele: die Einrichtung der Institution eines Belarus-Beauftragten der EU; die Koordination und Zusammenführung von Stipendien-Initiativen aus mehreren Ländern; Unterstützung für geschlossene oder behinderte unabhängige Medien, für demokratische Parteien und Bewegungen und für mit Berufsverbot belegte Oppositionelle; finanzielle Unterstützung demokratiefördernder Stiftungen auf EU-Ebene, die in und für Belarus aktiv werden können.

Entscheidend bleibt aus unserer Sicht die Entwicklung einer breiten und aktiven Zivilgesellschaft. Die dafür vorhandenen Förderprogramme müssen aufrechterhalten und gestärkt werden, und ein dieser Entwicklung dienender kritischer Dialog verdient ebenfalls jede Unterstützung.

Solidaritätsbekundungen wie im März sind gut, dauerhafte Aufmerksamkeit, kontinuierliche Unterstützung aber sind notwendig. Ich bin guter Hoffnung, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich dieser Erkenntnis nicht verschließen werden.

Lesen hier den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu Belarus

Thema: