Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Ansprache zur Verleihung des Petra-Kelly-Preises an Ales Bjaljatzki

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Foto von Ales Beljatzki
Ales Beljatzki (Foto: privat)

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Foto von Ales Beljatzki
Ales Beljatzki (Foto: privat)

Am 22. November 2012 verlieh die Heinrich Böll Stiftung den Petra-Kelly-Preis an den in Belarus inhaftierten Menschenrechtler Ales Bjaljatzki. Der Vorsitzende des Menschenrechtszentrums "Wjasna" setzt sich seit den 1980er Jahren für Demokratie und Menschenrechte in Belarus ein. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Internationalen Föderation für Menschenrechte, einem internationalen Zusammenschluss von Menschenrechtsorganisationen. Diktator Lukaschenko ließ Ales Bjaljatzki nach einem Schauprozess im November 2011 zu viereinhalb Jahren Haft verurteilen.

Marieluise Beck hielt bei der Verleihung des Petra-Kelly-Preises an Ales Bjaljatzki am 22. November 2012 in der Heinrich Böll Stiftung Berlin folgende Ansprache:

Heute verleihen wir einen Preis an einen Menschen, dessen Stuhl leer bleibt. Leider häuft es sich bei Verleihungen von Nobelpreisen und Menschenrechtspreisen, dass diejenigen, die geehrt werden sollen, den Preis nicht entgegen nehmen können, weil den Preisträger ihre Freiheit genommen wurde. So ist es auch bei Ales Bjaljatzki, der heute den Petra-Kelly-Preis der Heinrich Böll Stiftung erhält. Ich hoffe aber sehr, dass die Nachricht von dieser Preisverleihung zu ihm dringt und er sich gewiss sein kann, dass viele Menschen hier an ihn denken.

Diese Preisverleihung soll auch ein Zeichen sein dafür, dass Lukaschenkos Rechnung nicht aufgeht. Seine Rechnung wird nicht aufgehen, dass wir Ales Bjaljatzki und die anderen politischen Gefangenen in der Haft vergessen. Es wird auch nicht Lukaschenkos Rechnung aufgehen, dass wir seine Verbrechen gegen Demokratie und Menschenrechte unter den Teppich kehren, weil übergeordnete Gründe dies anzeigen mögen.

Wenn wir heute über Belarus reden, dann reden wir immer auch über Europa und auch über Deutschland. Denn auch in Belarus gibt es ein Chatyn. Nicht das Katyn, in dem Stalin hunderte polnische Generäle ermorden ließ. Ich sprechen von Chatyn in Belarus, das an die Verbrechen der Wehrmacht erinnert. Wenn man an diesen Ort kommt, findet man ein von der Wehrmacht zerstörtes Dorf vor. An den Stellen, wo Häuser standen, stehen jetzt symbolisch je einen Turm mit einer Glocke darauf. Dieser Ort erinnert daran, dass im Zweiten Weltkrieg jeder vierte Belarusse sein Leben lassen musste.

Für mich als Bremerin gibt es noch eine weitere Verbindung nach Belarus. Denn die Bremer Juden sind zunächst in das Ghetto in Minsk deportiert worden, bevor sie umgebracht und vernichtet wurden.

1990 ermöglichte der damalige Generalsekretär Michail Gorbatschow mit einer großen Geste das gemeinsame Haus Europa. Dies gab die Möglichkeit auch für Belarus, wieder zu einem eigenen Staat zu werden. Es konnte so wieder näher an Europa und seine Werte heranzurücken, dem sich die Menschen in Belarus eng verbunden fühlen. Denn Belarus ist der Ort, an dem vor den Katastrophen des 20. Jahrhunderts sich deutsche, jüdische, russische, polnische und natürlich belarussische Kultur traf und vermischte.

Das gemeinsame Haus Europa war die Hoffnung der 1990er Jahre für die Menschen in Belarus, Russland und für uns. Allerdings zog sich das Fenster in Belarus nach nur wenigen Jahren wieder zu. Ales Bjaljatzki erkannte früh, dass er sich auf eine Kampf für Demokratie und Menschenrechte einlassen musste.

1999 und 2000 verschwanden vier Menschen in Belarus. 2004 stellte der Europarat, der für gewöhnlich in seinen Feststellungen äußerst vorsichtig ist, fest, dass alle Spuren der Verbrechen in den Präsidentenpalast führen. Das sollten wir nicht vergessen. Und „Wiasna“ hat dafür gearbeitet, dass dies nicht vergessen wird.

In den Jahren zwischen 2006 und 2008 war der Westen sehr verhalten gegenüber Belarus. Solche Bilder, wie wir sie eben von der Zerschlagung der Proteste gegen Wahlfälschung am 19. Dezember 2010 sahen, konnte man bereits nach der Präsidentschaftswahl 2006 beobachten. 2008 ergab sich jedoch die Hoffnung auf eine Öffnung. Mit dem Regime wurde ein Dialog gewagt. Als 2010 diese Hoffnung mit brutaler Gewalt zerschlagen wurde, hat Ales Bjaljatzki nicht geschwiegen. Er hat die Menschenrechtsverletzungen laut angeprangert. Ich habe ihn einige Male im Europarat getroffen, wo er für Menschenrechte in Belarus eintrat. Er muss gewusst haben, dass er in großer Gefahr war, dass das Regime nicht auf Dauer dulden würde, von ihm lautstark angeprangert zu werden. Seine Verhaftung lag in der Luft. Es darf nicht gelingen, dass sie ihn in der Haft brechen. Hierauf können wir nur hoffen, in dem wir ihm beistehen und ihn wissen lassen, dass wir an ihn denken.

Ich bin mir sicher, dass wir ihn hier wieder eines Tages treffen werden um zu beraten, wie wir weiter umgehen sollen mit Belarus, wie wir für Demokratie und Menschenrechte in diesem Land kämpfen können.

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Hier finden Sie auf der Webseite der Heinrich Böll Stiftung Informationen zum Petra-Kelly-Preis.

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