Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Iran – Eindrücke einer Reise von Marieluise Beck

Auf Einladung des iranischen Parlaments reiste ich mit meinem Kollegen Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, vom 1. bis 4. Mai 2006 nach Teheran. Dort trafen wir Mitglieder des iranischen Auswärtigen Ausschusses, Parlamentsvertreter der religiösen Minderheiten, weibliche Abgeordnete, den Parlamentspräsidenten und zwei Vizeaußenminister.

Außerdem sprachen wir mit dem Sekretär des Sicherheitsrats sowie ehemaligen Beauftragten für Atomfragen Hassan Rohani und mit Vertretern von zwei Oppositionsparteien. Leider konnten wir keine weiteren Oppositionellen treffen. Die Stimmung im Land ist derzeit so aufgeheizt, dass viele Oppositionelle durch einen Kontakt mit westlichen Vertretern eher gefährdet als geschützt wären.

Das alles bestimmende Thema dieser Reise war die Debatte um die nukleare Zukunft des Iran. Die Frage, warum der Iran trotz hohen Erdbebenrisikos und riesiger Erdöl- und -gasvorkommen seine Ressourcen in der Entwicklung von Atomenergie bindet, spielt im Land keine Rolle. Bei der Entwicklung des iranischen Atomprogramms scheint es vor allem um die Frage von Stolz und Selbstbewusstsein einer Nation zu gehen, die eben diese Atomkraft zum Maßstab ihrer Anerkennung in der Welt macht.

Hier sind Innen- und Außenpolitik auf fatale Weise verschränkt: Die innenpolitischen Probleme werden vom Atomkonflikt überlagert. Das hat Verschiebungen im Machtgefüge zur Folge. Sowohl der oberste Rechtsgelehrte als auch der Wächterrat müssen dem neu gewählten Präsidenten Ahmadinedschad, der sich als Mann der kleinen Leute geriert, immer größeren Einfluss einräumen.

Ahmadinedschad versteht es meisterhaft, mit den historischen Traumata und der gefühlten Opferrolle des Iran zu spielen. Das stolze iranische Volk musste eine Reihe von Demütigungen und Aggressionen ertragen. Zunächst von der britischen Kolonialmacht geknechtet, in einem britisch-amerikanischen Coup mit dem blutigen Schah-Regime überzogen, und schließlich vom Irak angegriffen, der sowohl vom Westen als auch von der Sowjetunion mit Waffen beliefert wurde: das ist der Hintergrund, vor dem es fast unausweichlich scheint, dem Präsidenten und dessen Forderung zu Forschung und Ausbau einer modernen Atomtechnologie zu folgen.

In einem Land zensierter Medien gibt es auch in der gebildeten Bevölkerung das Bild der verhassten USA, die dem Iran mutwillig den weiteren Weg der technologischen Entwicklung untersagen wollen. Dass die iranische Regierung über Jahre hinweg die Internationale Atomenergiebehörde IAEA auf verschiedenen Feldern der Nukleartechnologie hintergangen hat, wird dabei unterschlagen.

Die Erkenntnisse der IAEA und die versuchte Geheimhaltung nähren den Verdacht, dass es dem Iran nicht nur um die so genannte friedliche Nutzung der Atomenergie geht (siehe unten aufgeführte Tabelle). Diese Indizien müssen angesichts der immer wüster werdenden Drohungen Ahmadinedschads, Israel von Landkarte tilgen zu wollen, von allen ernst genommen werden, die für sich eine historische Verantwortung Deutschlands für Israel reklamieren.

Aufgrund der wachsenden Raketenkapazitäten und Reichweiten haben Deutschland und Europa aber auch ein ganz eigenes Interesse, eine iranische Atombombe zu verhindern. Es bleibt also unverzichtbar, dass die Staatengemeinschaft mit Russland und China beisammen bleibt, wenn der iranische Weg zur Bombe erfolgreich verstellt werden soll.

Wenn die Kraft und Macht des Präsidenten allerdings darin liegt, das scheinbar gedemütigte Volk hinter sich zu versammeln, muss gerade an diesem Punkt kluge Diplomatie ansetzen. Nichts kann Ahmadinedschad ungenehmer sein, als eine Weltgemeinschaft, die den Iran respektiert, dessen technologische und wissenschaftliche Entwicklung unterstützt und seine Sicherheitsinteressen ernst nimmt. In diesem Prozess wäre ein Schritt der so verteufelten USA zu einem direkten Dialog mit der iranischen Führung vermutlich hilfreich.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob die politische Klugheit aller Akteure reicht, um eine iranische Atombombe zu verhindern.