Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Gedenken an die Opfer von Beslan

Drei Jahre nach dem Geiseldrama sind noch viele Fragen offen.

Vor drei Jahren, am 03.09.2004, stürmten russische Sicherheitskräfte die Schule Nr. 1 im nordossetischen Beslan, in der 32 Terroristen 1116 Geiseln drei Tage lang gefangen hielten. Über 300 Menschen, davon 186 Kinder, sollten den Gang zur Feier des ersten Schultags nicht überleben. Ein erschütterndes Drama fand mit der Erstürmung sein Ende – abgeschlossen ist es bis heute nicht. Bei den Überlebenden und Angehörigen bleibt ein tiefes Trauma zurück und die quälende Frage, was genau an jenem Tag passierte, als nach 13 Uhr der Angriff auf das Schulgebäude begann und Detonationen das Dach der Turnhalle einstürzen ließen. Nach offiziellen Angaben sahen sich die Sicherheitskräfte zur Erstürmung der Schule genötigt, nachdem die Terroristen Sprengsätze gezündet hatten. Allerdings wird diese Version durch kürzlich wieder aufgetauchte Videoaufzeichnungen der Ereignisse in Frage gestellt, die darauf schließen lassen, dass die Detonationen durch den Beschuss aus Panzerfäusten und Brandgranaten von außen hervorgerufen wurden.

Eine verlässliche Antwort auf diese Ungereimtheiten gibt es nicht, ebenso wenig ist untersucht worden, wie die Terroristen nach Beslan gelangten, woher sie ihre Waffen bezogen etc. Ein überlebender Terrorist wurde vor Gericht gestellt und zu lebenslanger Haft verurteilt – Gewissheit und klare Antworten brachte der Prozess nicht.

Die mangelnde Aufarbeitung der Tragödie macht deutlich, dass Sicherheitskräfte und Polizei in Russland keiner gesellschaftlichen Kontrolle unterliegen, vor allem nicht wenn sie sich im Rahmen einer „antiterroristischen Operation“ bewegen. Die für eine unabhängige Untersuchung der Beslan-Tragödie eingesetzte Parlamentskommission unter dem Vorsitz von Alexander Torschin legte Ende 2006 nur einen zahnlosen Bericht vor, der nach Ansicht von Kritikern lediglich die Sicherheitskräfte entlasten sollte.

Drei Jahre nach Beslan ist keine Entspannung in der Nordkaukasus-Region in Sicht – in Tschetschenien ist Wiederaufbau, aber noch kein Frieden eingekehrt, in Inguschetien verschärfen sich Auseinandersetzungen zwischen Aufständischen und russischem Militär. Es wächst die Gefahr neuer Anschläge. Der erste Schultag wurde dieses Jahr von 300,000 Sicherheitskräften begleitet.

Marieluise Beck hat die Schulruine von Beslan im Juni dieses Jahres besucht. Wir gedenken der Opfer und ihrer Angehörigen.

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