Marieluise Beck

ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags

Interview mit DIE WELT: Seehofer ist das Werkzeug von Putins Propaganda

Marieluise Beck kommentiert die Reise des bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer nach Moskau. Warum sie sein Vorhaben für grenzenlos naiv und politisch perfide hält, ist hier nachzulesen: 

www.welt.de/politik/deutschland/article151787393/Seehofer-ist-das-Werkze...

 

3. Feb. 2016, Moskau-Reise - "Seehofer ist das Werkzeug von Putins Propaganda"

Grünen-Politikerin Beck kritisiert Seehofers Kreml-Besuch als "grenzenlos naiv" und "politisch perfide". Der CSU-Chef mache sich zu Putins Handlanger und gefährde die Ukraine-Politik der Kanzlerin. Von Claudia Kade

Die Welt: Frau Beck, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer besucht Russlands Präsidenten Wladimir Putin im Kreml. Ist das Treffen mehr als der provokante Coup eines selbstbewussten Bajuwaren?

Marieluise Beck: Seehofers Vorhaben ist zugleich grenzenlos naiv und politisch perfide. Grenzenlos naiv, weil er nicht versteht, dass er sich zum Werkzeug von Putins Propaganda macht, die auf eine Unterminierung der Europäischen Union abzielt. Und perfide, weil Seehofer ganz offensichtlich der Kanzlerin einen Tritt vors Schienbein geben will. Auch damit macht er sich zu Putins Handlanger. Denn für Putin ist Angela Merkel, die in Fragen der Ukraine und der europäischen Sanktionspolitik standhaft ist, ein politisches Ärgernis, das er zu Fall bringen will

Die Welt: Was genau ist so heikel an der Reise?

Beck: Es hat lange gedauert, bis westliche Politik und Medien verstanden haben, dass der Kreml systematische Verbindungen zu extremistischen Parteien, Institutionen und Einzelpersonen aufbaut, die alle die EU als multikulturelles und multinationales Projekt ablehnen. Am bekanntesten ist die Wahlkampffinanzierung für die rechtspopulistische Marine Le Pen in Frankreich. Gleichzeitig hat Putin mit der Annexion der Krim und der Intervention in der Ostukraine die europäische Friedensordnung ausgehebelt. All das wird von Seehofer verharmlost, wenn er die Aufhebung der Sanktionen ohne russische Gegenleistungen verlangt.

Die Welt: Ist Seehofers Besuch gefährlich für den Kurs der Kanzlerin in der Ukraine-Krise?

Beck: Selbstverständlich. Ich fürchte, dass Seehofer ausschließlich das wirtschaftliche Interesse Bayerns im Auge hat und scharf darauf ist, eine Allianz mit Moskau auch auf dem Rücken der Länder, die dazwischenliegen, herzustellen. Das ist eine atemberaubende Ignoranz gegenüber den Verbrechen, die Deutschland auch und gerade in diesen Zwischenländern im vorigen Jahrhundert begangen hat. Diese historische Verantwortung schlägt Seehofer aus, wenn er ohne Rücksicht auf Länder wie die Ukraine bereit ist, bilaterale Geschäfte mit dem Kreml einzufädeln.

Die Welt: Von Putin ist bekannt, dass er sich über jeden Gast freut, der Merkels Linie durchkreuzt. Erwarten Sie, dass Putin Seehofers Besuch genüsslich ausschlachtet für Propagandazwecke?

Beck: Wir bekommen ja gerade durch die Inszenierung des vermeintlichen Vergewaltigungsfalls um die 13-jährige Russlanddeutsche Lisa wieder einmal einen Eindruck von der Reichweite russischer Propaganda. Es wäre naiv anzunehmen, dass die russische Propagandamaschinerie sich den Leckerbissen eines Seehofer-Besuchs entgehen ließe.

Die Welt: Aber Putin weiß doch auch, dass die deutsche Außenpolitik in Berlin gemacht wird und nicht in München.

Beck: Putin ist in seinem strategischen Kalkül ernster zu nehmen, als der Westen es lange getan hat. Das zeigt das von langer Hand vorbereitete Netzwerk in rechte Parteien in Europa. Letztlich bekämpft Putin die liberalen Gesellschaften des Westens. Das ständige Spiel mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten hat schon jetzt eine Schwächung des klaren Urteils in der europäischen Öffentlichkeit bewirkt. In diesem Sinne wird auch Seehofers Besuch ein Puzzleteil in dieser Unterminierung des europäischen Zusammenhalts sein, für den Kanzlerin Merkel eine zentrale Rolle spielt.

Die Welt: Merkel hat Seehofers Reise angeblich zugestimmt, so sagt es jedenfalls Seehofer. Reden ist doch immer besser als eisiges Anschweigen, oder?

Beck: Das stimmt. Entscheidend ist, was gesagt wird.

Die Welt: Was geben Sie Seehofer mit auf den Weg?

Beck: Seehofer müsste im Kreml sagen: 'Verehrter Herr Präsident, es liegt in Ihrer Hand, gute Nachbarschaft und einen regen wirtschaftlichen Austausch wiederherzustellen. Ziehen Sie Ihre Militärkräfte aus dem Donbass ab, erkennen Sie an, dass die Krim völkerrechtlich ukrainisches Gebiet ist. Kehren Sie zu den Regeln der europäischen Familie zurück. Dann werde ich mich mit aller Kraft für die Aufhebung der Sanktionen einsetzen.' Dann wäre ich mit dieser Reise einverstanden. Es ist aber leider zu befürchten, dass Seehofer sich nicht in diesen Kontext einfügen wird.

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